Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Dieser Satz ist nicht im Konjunktiv formuliert, das „soll“ drückt also den „normativen Willen“ des Gesetzgebers aus.
In Schärding haben Bürgerinnen und Bürger schon bislang – auch ganz ohne explizite österreichische Verfassungsbestimmung – die Kulturverpflichtung des Eigentums ernst genommen: aus Verantwortung und Selbstverständnis.
Die rechtlichen Zuständigkeiten liegen bei Gemeinde und Land Oberösterreich, in Belangen des Denkmalschutzes beim Bund. Im Anlassfall liegt das Problem darin, dass nach dem österreichischen Denkmalschutzgesetz, das heuer sein 100jähriges Jubiläum begeht, nur der Schutz einzelner Objekte (Gegenstände) möglich ist, und sich auch der Ensembleschutz nur additiv aus Lage und Beziehung der Objekte zueinander begründen lässt. Es gibt also keinen Gebietsschutz bestimmter Zonen, sodass im gegenständlichen Fall auch keine denkmalrechtliche Zuständigkeit gegeben ist. Das ist ein Mangel, der leider auch bei der Anzahl von Gesetzesnovellen seit 1923 nicht behoben wurde.
Fragen von Ortsbild und Ortsentwicklung liegen also in der Verantwortung der Gemeinden. In Schärding hat man dafür seit langem – ganz im Bewusstsein der außerordentlichen Bedeutung des historischen Ortes – Sonderregelungen im eigenen Wirkungsbereich geschaffen, zuerst in Form von Ortssatzungen, seit 2013/2016 durch die „Richtlinien zur Stadtbildpflege in Schärding“. In diesen Richtlinien definiert Punkt 3. Gestaltungsbestimmungen (vor allem unter 3.1. Allgemeines, die Punkte 3.1.1 und 3.1.2) die wesentlichen Anforderungen und Zielsetzungen. Demnach sind in der Kernzone Altstadt, in der das gegenständliche Bauvorhaben liegt, bauliche Anlagen „dem historischen Charakter, der städtebaulichen Bedeutung ihrer Umgebung und der sie prägenden Bebauung“ anzupassen.
Diese Rahmenbestimmungen zur Stadtbildpflege in Schärding entsprechen vollinhaltlich internationalen Grundsätzen, wie sie etwa schon in der CHARTA von Venedig (1964) und zuletzt in der UNESCO Recommendation on the Historic Urban Landscape (2011) formuliert wurden.
Das gegenständliche Bauvorhaben widerspricht jedoch in allen Belangen diesen Orientierungsleitlinien. Das Bauwerk ist – kurz gesagt – bei weitem überdimensioniert – schon maßstäblich eine Unvereinbarkeit mit dem überlieferten Bestand. Die Baumassen-Unmäßigkeit wird dazu noch mit üppiger Öko-Verbrämung präsentiert. Wohl in der Absicht dadurch eine Generalamnestie für die hypertrophe Kubatur zu erreichen.
Pointiert ausgedrückt. Das ist:
Zerstörung (geförderte?) der überlieferten Erscheinung und künstlerischen Wirkung des historischen Stadtensembles Schärding
Karikatur ökologischer Anliegen und Ziele
Euphemistisches „Greening“
Aber: „Greenwashing“ ist nicht der Zweck der alle Mittel heiligt. So darf „Nachverdichtung“ in historischen Quartieren keinesfalls erfolgen. Das Projekt ist auch nicht geeignet durch „kosmetische Änderungen“ Akzeptanz zu gewinnen, sondern müsste meiner Auffassung nach, von Grund auf neu konzipiert werden.
Wilfried Lipp e.h. 9. November 2023
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"Hilf uns Schärdingern, die wir unsere Stadt wirklich lieben"
Rudolf Lessky aus Schärding, verfasste zum Bericht "Geplantes Groß-Wohnprojekt sorgt in Schärding für Aufregung" einen Leserbrief:
Zum riesigen Wohnbauprojekt im Seilergraben möchte ich als langjähriger Stadtführer „sine ira et studio“ (ohne Hass und Zuneigung) feststellen, dass die Baustelle im Seilergraben liegt und dass es in den vom Schärdinger Gemeinderat beschlossenen und vom Bundesdenkmalamt anerkannten „Richtlinien zur Stadtbildpflege in Schärding“ heißt, dass die „Bereiche unmittelbar vor den mittelalterlichen Stadtbefestigungen einschließlich der davor liegenden Stadtgräben zur Kernzone Altstadt zählen“, und die Kernzone steht unter Denkmalschutz.
In den Gestaltungsrichtlinien dafür heißt es, „bauliche Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern, zu gestalten und zu erhalten, dass sie sich nach Form, Baumasse, Gliederung, Material, Fassadendekoration und Farbe dem historischen Charakter und der städtebaulichen Bedeutung ihrer Umgebung und der sie prägenden Bebauung anpassen …“ Üblicherweise hat es bisher in der Bevölkerung geheißen, im Stadtgraben ist Bauverbot, das dürfte gewesen sein, bevor die „ Richtlinien“ beschlossen wurden. Jetzt gelten diese, und die darin enthaltenen Bestimmungen müssten auch eingehalten werden.
Lieber geschätzter Professor Franz Engl, du hast durch Jahrzehnte unsere Stadt vor baulichen Schandtaten geschützt, schau „oba“ und hilf uns Schärdingern, die wir unsere Stadt wirklich lieben und sie stilgerecht erhalten wollen!
Rudolf Lessky
Schärding
Online unter: meinbezirk.at, "Hilf uns Schärdingern, die wir unsere Stadt wirklich lieben", zuletzt abgerufen am 12.11.2023.