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ARCHIV: Die Sowjetmoderne erreicht Gmunden – Lacus Felix

 

Das Salzkammergut 1969

 

Der bedeutende Kulturhistoriker, Autor zahlreicher Bücher über die mitteleuropäischen Hauslandschaften und jahrelanger Kunstkritiker der Tageszeitung „Die Presse“, Kristian Sotriffer (1932 – 2002) hat im Jahre 1969 in seinem Buch „Das Salzkammergut“ geschrieben: „In vielen Teilen des Salzkammergutes kann die einst selbstverständliche Einheit von Landschaft und Architektur noch erlebt werden – allerdings auch die Zerstörung der Natur durch Neues, die einst selbstverständliche Verbindung zum Umraum ignorierendes Bauen. Denn zweckmäßig baute man früher auch, aber selbst die Ingenieurleistungen der findigen Bewohner des Salzkammergutes gliederten sich noch vor 100 Jahren der Umgebung ein. Die technischen

 

Konstruktionen derer, die noch früher Brücken und Wehre, Sudhäuser und Schleusen errichteten, wollten selbstverständlich keine architektonischen Meisterleistungen sein; sie wurden nur einfach dazu. Selten gelang es einem Architekten in diesem Bereich in neuerer Zeit, ein Haus der Landschaft auf eine Weise zu verbinden, das sie nicht beeinträchtigt wurde, der Bau selbst aber dennoch als Zeugnis neuer Architekturvorstellungen gelten konnte“. Bemerkenswert ist, neben dieser fachkundigen Beobachtung Sotriffers, dass er schon 1969 vom Verlust der einzigartigen Einheit von Landschaft und Architektur spricht, die hier „noch erlebt werden“ kann, wenngleich die Zerstörung da und dort eingesetzt habe. Dies hat sich in den letzten vierzig Jahren erschreckend verschlechtert

 

 

Gmunden 2012 im Spiegel der Zeit

 

Im Herbst 2012 hat der Moderator der Fernsehsendung „Zeit im Bild“ Tarek Leitner einen vielbeachteten Beitrag in der Auseinandersetzung um den acht- und verantwortungslosen Umgang mit dem Erbe an Bauwerk und Landschaft in Österreich herausgebracht. Er leitet sein Buch „Mut zur Schönheit, Streitschrift gegen die Verschandelung Österreichs“ mit einer Schilderung der Reise eines Freundes von Wien ins Salzkammergut ein:

„Langsam nähert sich Klaus S. der letzten Hauptstadt, an der er vorbei muss: der Bezirkshauptstadt Gmunden. Und was rund um kleine Waldviertler Dörfer nicht fehlen darf, kündigt auch hier ein Wald bunter schlanker Fahnen an: Der Charme von Los Angeles zieht sich kilometerweit vor und nach dieser Stadt: in einer Wiederholung von Autohäusern, Baumärkten, Fastfoodrestaurants und Diskontmärkten – das Logo einer jeden Firma weht vielfach vor den leeren Parkplatzwüsten… Obwohl all die Unternehmen hier nicht mehr geöffnet haben, überstrahlen sie mit ihrer nächtlichen Beleuchtung alles, was S. in der Umgebung allenfalls hätte erkennen können, und drängt sich brutal in das Wahrnehmungsfeld eines jeden Vorbeifahrenden. Auch die Nacht kann also keinen Schleier mehr über diese geballte Hässlichkeit breiten. Da sehnt er sich dann den Winter herbei, der es an manchen Tagen für einige Stunden schafft, die Scheußlichkeiten zuzudecken und die Umgebung auf dem Weg an sein Ziel ein idyllisches Antlitz verleiht – ohne dass er Abstriche machen und seine Perspektiven auf das Schöne so sehr verengen müsste. Würde er mit verbunden Augen hierher gebracht werden, wähnte er sich an einer Kreuzung in der Shopping-City-Süd. Die Standardisierung all dieser Gebäude hat zur Folge, dass sie in keinem Kontext zu ihrer Umwelt sehen. Aber eine dazu passende Umwelt gibt es auch gar nicht“.

Ein Entwurf nach alten, berüchtigten Vorbildern

Das von einem Investor geplante Hotel Lacus Felix nahe des unter rechtlich umstrittenen Umständen abgebrochenen alten Seebahnhofes an der Promenade (Krakowitzer Kai) würde den von Leitner geschilderten Ungeist der Allerweltsgegend bis in das berühmte Uferviertel Gmundens mit seiner Esplanade tragen. Das aus dem Französischen kommende Fremdwort bedeutend in der Übersetzung: „einen von Gebäuden freien Platz oder Streifen“. Der 31 Meter hohe, gedrungene Baukörper soll als „4-Sterne Superior Hotel“ rund 240 Betten und drei Wohnungen für die ehemaligen Eigentümer des abgebrochenen Park-Hotels enthalten. Direkt am See gelegen, stünde es in scharfem Kontrast zum kleigliedrigen, im Kern gotischen Raumgefüge der Gmundner Altstadt, aber auch zur offenen, grünen Villenlandschaft des 19. und 20. Jahrhunderts. Es würde die einzigartige Sichtbeziehung von der Halbinsel zur Altstadt und zur Insel mit Schloss Orth in beiden Richtungen zerstören.

Das Hotel auf ovalem Grundriss, auf einer künstlichen Halbinsel im Traunsee errichtet, wirkt in der Ansicht vielfach wie ein kreisförmiger Baukörper, gruppiert sich um einen Innenhof. Weiters ist eine neue Bucht geplant, die mit fünfzehn Chalets und drei Apartmenthäusern eingesäumt wird. Um die Seepromenade durchgängig zu erhalten, wird dieses Becken mit einem Steg überbrückt. Die Anlage erinnert in ihrer Kleinlichkeit an die gewinnbringenden Verbauungen einiger Ziegelteiche im Süden Wiens.

Das Hotel folgt einem Bautypus der schon seit Jahrhunderten in seiner Eigenart berüchtigte Bekanntheit erlangt hat. In der Ahnenreihe muss zunächst der von Matthias Gerl, möglicherweise nach einem Entwurf von Isidor Canevale, schon 1783 in Wien als fünfstöckiges Rundbauwerk mit Innenhof geschaffene „Narrenturm“ genannt werden. Er war ein Teil des 1784 eröffneten „Allgemeinen Kranken-, Irren- und Gebärhauses“. Der zylindrische, ungegliederte Bau mit kreisrundem Hof und einem inneren Quertrakt beherbergte bis 1869 in 139 Einzelzellen psychisch Kranke. Unter Kaiser Joseph II. war er ein Zeichen für Fortschrittsdenken, Ende des 19. Jahrhunderts wurde dieses „Gefängnis des Abnormen“, durch die Lehren von Sigmund Freud und Julius Wagner-Jauregg überholt. Seither dient er als Pathologisch-anatomisches Museum und gilt heute als einzigartiges Denkmal der Psychiatrie-Geschichte, als Unikum einer Gattung. Die Wiener verspotteten den Turm als „Kaiser-Josephs-Gugelhupf“.

Von großem Einfluss war der 1791, also acht Jahre später, veröffentlichte Entwurf von Jeremy Bentham (1748-1932). Als englischer Rechtsgelehrter und Staatsphilosoph, war er einer der Begründer des modernen Utilitarismus, der die Erhebung des Nützlichkeitsgrundsatzes zum Prinzip der Lebensführung anstrebte, um das größtmöglichste Glück für eine größtmögliche Zahl zu erreichen. Bentham entwarf auf einem fast kreisrunden (zwölfeckigem) Grundriss mit einem Innenhof ein fünfgeschossiges Wohnhaus für zweitausend Personen. Dieser Gedanke eines „Massenmiethauses“ wurde später Vorbild für die Wohnvorstellungen der utopischen Sozialisten, wie Robert Owen oder Charles Fourier. Bentham hat es auch für Gefängnisse, Arbeitshäuser und Krankenhäuser vorgeschlagen…

Die Sowjetmoderne - Vorbild für Gmunden ?

Das Architekturzentrum Wien zeigt zurzeit eine Ausstellung über die „Sowjetmoderne 1955 – 1991“. Dabei ist auch das im Westen bekannte Hotel Druschba (Freundschaft) in der Region Yalta aus dem Jahre 1985 zu sehen. Dieses nimmt eine Sonderstellung in der Kurarchitektur der Halbinsel Krim ein, die heute noch über weite Gebiete von den guterhaltenen Bauten des Russischen Kaiserreiches geprägt ist und die bei aller Eigenwilligkeit, keinen Widerspruch zur Landschaft zeigen, sondern ihr den Vorrang lassen. Im Katalog der Ausstellung im Ringturm „Ukraine, Städte, Regionen, Spuren“ wird die Krim im April 2012 als eines „der schönsten Naturschutzgebiete der Erde“ (Alla Serhejewa u.a.) gepriesen. Das Druschba Hotel, ist ein sechsgeschossiger Stahlbetonring von 73 Metern Durchmesser mit einem Innenhof, von dem aus die verschiedensten Gemeinschaftseirichtungen zu erreichen sind. Der runde Baukörper ist ein imposantes Symbol des realen Sozialismus, der einen rücksichtslosen Umgang mit der Landschaft zeigt.

 

 

Jost Krippendorf, wie Adolf Loos „Ins Leere gesprochen“?

Das Druschba-Hotel ist ein Beispiel für jene Bauten die der Schweizer Universitätsprofessor und Tourismusforscher Jost Krippendorf (1938-2003) in seinem berühmten Buch „Die Landschaftsfresser, Tourismus und Erholungslandschaft – Verderben oder Segen?“ 1975 verurteilt hat: „Das Zusammentreffen alter, historisch wertvoller Kulturlandschaften mit neuen Nutzungsformen ist bisher immer dramatisch und tragisch verlaufen. Die Integration neuer touristischer Bauten in die ursprüngliche landschaftliche und siedlungsmäßige Umwelt ist bislang weltweit kaum gelungen… Die Erholungslandschaften werden mit gestaltloser, konfektionierter Vorortearchitektur überzogen, die sich nicht wesentlich von neu entstandenen Wohnblocks in den Randgebieten der großen Ballungszentren unterscheidet“. Krippendorf hat als „Vater des sanften Tourismus“ unermüdlich allen Beteiligten, den Bewohnern der Kulturlandschaften, den Organisationen des Tourismus, den Bauherren und Architekten, den Behörden, der Wissenschaft und Forschung, der breiten Öffentlichkeit und nicht zuletzt den Politikern immer wieder andere Formen für Reisen, Urlaub und Erholung vorgestellt. Er war auch in Österreich in gebildeten Kreisen sehr angesehen. Der „Österreichische Verein für Touristik, Berufsverband für mittelständische Reiseunternehmen – ÖVT hat anlässlich seines Todes 2003 verdienstvoller Weise einen „Jost-Krippendorf-Preis“ ins Leben gerufen, der bisher achtmal verliehen worden ist.

Lacus Felix oder der Verlust des Charakters

Die Befürworter überschlagen sich im Lob und behaupten, das Projekt nehme auf die Umgebung Rücksicht, es sei ein Pedant zum Schloss Orth, ein gänzlich neues Konzept, architektonisch attraktiv usw., man könne damit positiv in die Zukunft blicken, was fast einer Drohung gleichkommt. Österreichs zurzeit bekanntester Bildhauer Erwin Wurm hat im August 2012 in der Salzburger Galerie Ropac eine Serie neuer Werke ausgestellt. Er hat siebzehn Bauwerke in Ton geformt und dann auf verschiedenste Art attackiert, mit Fäusten, Fußtritten, Ellenbogenhieben oder erdrücken mit seinem Körpergewicht. Danach wurden die Modelle in Bronze, Acryl oder Polyester gegossen. Für diese Verformungen wählte er in spielerischer, triebhafter Weise Bauten die ihn persönlich reizten: Gefängnisse, Lagerhäuser, Bunker, Wohnhäuser und anderes. Die abweisende, gedrungene, klotzige, kesselartige Form des Narrenturms, Urtyp für alles Weitere, forderte einen Fußtritt heraus …

Namhafte Persönlichkeiten, die sich mit Landschafts- und Denkmalpflege beschäftigen, haben die Planung in Gmunden verurteilt und vor Beispielfolgen gewarnt. Der Landeskonservator von Oberösterreich Wilfried Lipp, gleichzeitig Präsident des Österreichischen Nationalkomitees ICOMOS (International Council on Monuments and Sites, Internationaler Rat für Denkmal- und Landschaftspflege), hat an die Landesräte, den Bürgermeister und alle im Gmundner Gemeinderat vertretenen Parteien im Mai 2010 eine gutachterliche Stellungnahme versendet: „Eine Realisierung dieses Projektes käme einer Zerstörung des historischen Ensembles Gmundens gleich und würde alle Bemühungen von Natur- und Denkmalschutz ad absurdum führen. Eine Verwirklichung des Projektes wäre daher schlichtweg eine Katastrophe und ein Rückfall in die Barbarei gestalterischer Willkür“.

 

Hotellerie, Finanzen und Schulden

 

Für das Projekt wird eine Gesamtinvestitionssumme von 32 Millionen Euro genannt. Eine entsprechende Förderung durch die Öffentliche Hand soll bereits zugesagt sein. Trotz einem gewissen Bedarf an Betten in Gmunden ist die Frage der Wirtschaftlichkeit eines derartigen Unternehmens zu stellen. In Österreich gibt es mittlerweile rund tausend Wellnesshotels, die sich einen beispiellosen Verdrängungswettkampf liefern. Die finanziell bedrängte Lage einiger Thermenhotels ist allseits bekannt. Der Markt ist gesättigt. Trotzdem setzt man auf weiteren Ausbau. Landesrat Sigl: „Wir verhandeln im Moment über Hotelprojekte mit insgesamt 3000 Betten. In den nächsten drei bis fünf Jahren werden 1000 davon in Oberösterreich realisiert werden“ (OÖ. Nachrichten 8.1.2013, S.10). Das Problem liegt vor allem im Erreichen einer Auslastung über das ganze Jahr, was nur mit Bustourismus im Verein mit internationalen Reise- und Flugkonzernen möglich ist. Die Folge sind österreichweit Überkapazitäten, niedrige Auslastung und sinkende Preise, bei steigenden Kosten. Der Präsident der Österreichischen Hoteliervereinigung Sepp Schellhorn warnte Anfang Jänner 2013 vor einem Platzen der „touristischen Infrastrukturblase“ und forderte unter anderem eine Erleichterung für die Stilllegung von im Koma liegenden Betrieben. Die Politik müsse aufwachen. Der Geschäftsführer der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank Franz Hartl, kritisierte mit drastischen Worten das zuletzt hohe Investitionstempo, nun sei Konsolidierung nötig um die Schulden zu senken. Hilfreich seien dabei die zurzeit niedrigen Kreditzinsen (Der Standard 8.1.2013, S.16; Kurier 10.1.2013, S. 4; Salzburger Nachrichten, 12.1.2013, S. 15 und 26.1.2013, S. 56;).

 

Ein Problem besonderer Art ist die Umnutzung von nicht gewinnbringenden Hotelbauten in Appartementhäuser. Derartiges hat sich in vielen Gemeinden Österreichs vollzogen. So auch in Gmunden, wo das Hotel Austria, Hotel Krone, das Kurhotel und eine Reihe von Kleineren diesen Sonderformen des Wohnens zugeführt worden sind. Viele Bürger Gmundens fürchten, dass auch das Hotel Lacus Felix, sollte es gebaut werden, einst so enden könnte. Ja, manche vermuten sogar, dies könnte die Absicht der Betreibergruppe sein, wobei natürlich auch hier die Unschuldsvermutung gilt.

 

Denkmal- und Landschaftspflege in Theorie und Praxis

Noch nie in der Geschichte Österreichs war das Erbe an Bauwerk und Landschaft rechtlich so geschützt wie heute. Wir haben in jedem Bundesland eine Bauordnung, ein Raumordnungsgesetz, ein Landschaftsschutzgesetz, auf Bundesebene ein Denkmalschutzgesetz, Österreich hat die Weltkulturerbekonvention unterzeichnet und sich damit durch Staatsvertrag gegenüber der UNESCO zur Erhaltung der Welterbegebiete „in Bestand und Wertigkeit“ verpflichtet, es gibt nach diesen Gesetze zahlreiche Beiräte und Kommissionen und doch war die Gefahr noch nie so groß wie jetzt. In einer repräsentativen Demokratie tragen letztlich nur einige wenige Politiker die Verantwortung. Die Beamtenschaft hat zwar den Auftrag im Sinne der guten Gesetze zu handeln, ist aber letztlich durch die Politik weisungsgebunden. Die Politiker beschwören zwar gerne in Sonntagsreden, vor allem vor Vereinigungen die sich dem Kulturerbe verpflichtet fühlen, immer wieder die einfühlsame Erhaltung, Pflege und Weiterentwicklung. In der Praxis sehen aber dann die Dinge anders aus, wie der Fall Lacus Felix zeigt.

 

Adalbert Stifter´s Roman „Nachsommer“ wird oft als Stiftungsurkunde der Denkmal- und Landschaftspflege bezeichnet. Stifter träumte schon 1856 von einer rechtlichen Grundlage. Dabei war er sich als Kulturhistoriker über die Grenzen behördlichen Wirkens völlig im Klaren. In einem Dialog wird die Frage gestellt, ob ein Gesetz dem „Verfall oder der Zerstörung“ vorbeugen könne. Die Antwort: „Das glaube ich nicht, denn es können Zeiten so geringen Kunstsinnes kommen, dass sie das Gesetz selber aufheben“. Diese scheinen angebrochen zu sein !

 

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