Anmerkungen zur Linzer Eisenbahn- und Straßenbrücke
1. Der Denkmalbeirat, ein Beratergremium des Bundesdenkmalamtes (BDA), hat am 31. Juli 2013 festgestellt: „Der Ausschuss empfiehlt mit absoluter Mehrheit unter Bezug auf die geschichtliche, künstlerische und kulturelle Bedeutung der Eisenbahnbrücke diese zu erhalten, denkmalgerecht zu sanieren und in einer angepassten Nutzung weiterhin zu verwenden und dem gestiegenen Verkehrsaufkommen durch einen schlichten Brückenneubau, z.B. in Nähe der VOEST-Brücke, Rechnung zu tragen.“
Das BDA ist dem nicht gefolgt und hat am 2. September 2013 durch Bescheid den Denkmalschutz aufgehoben. Dies war eine von der Stadt Linz (Gemeinderatsbeschluss 24. Mai 2012) unterstützte und von der ÖBB (Antrag auf Aufhebung des Schutzes vom 12. August 2012) geforderte, außerordentliche Dienstleistung. Gleichzeitig wurde aber im Bescheid festgestellt, „die denkmalpflegerische Bedeutung der Linzer Eisenbahn- und Straßenbrücke über die Donau steht außer Frage. Es bedarf keines weiteren Beweises …“.
Die kulturelle Verantwortung für das Industriedenkmal „Eisenbahnbrücke“ ist durch den Entscheid eines direkt oder indirekt weisungsgebundenen Amtes einer Bundesministerin nicht aufgehoben, sondern muss weiterhin von Stadt, Land, Bevölkerung und Politik wahrgenommen werden.
2. Die Stadt Linz beschloss am 2. März 2000 mit dem Kulturentwicklungsplan auch die „Kulturverträglichkeitsprüfung“. Mit dieser sollten im Entscheidungsprozess für alle kommunalen Projekte (Bauvorhaben, Umgestaltung, Renovierung und Sanierung, Raumordnung, Raumplanung, Stadtgestaltung und Stadtentwicklung, Gestaltung des Lebensraumes u.a.m.) zusätzliche Qualitätskriterien Anwendung finden. Sie ist in diesem Falle nicht durchgeführt worden, und müsste daher mit Nachdruck eingemahnt werden.
3. Der Linzer Gemeinderat hat am 23. Mai 2013 das „Örtliche Entwicklungskonzept Linz Nr. 2 und den Flächenwidmungsplan Nr. 4“ gemäß dem OÖ. Raumordnungsgesetz 1994 beschlossen. Dabei ist zum öffentlichen Personen-Nahverkehr zu lesen: „Weiterbearbeitung der vorliegenden Studien, ober- und unterirdischer Varianten – Variantenentscheidung“. Gleichzeitig wurde im Ziel- und Maßnahmenkatalog angemerkt: Neubau oder Umbau der Eisenbahnbrücke. Daraus geht hervor, dass bisher keine Entscheidung über das Verkehrskonzept gefallen ist. In der Zwischenzeit sind die Pläne der ASFINAG für eine Nachrüstung der VOEST-Autobahnbrücke bekannt geworden. Auch dies ruft nach neuen Planungsüberlegungen.
4. Zum Nahverkehrskonzept: Am 28. August 2008 hat der damalige Verkehrsminister und heutige Bundeskanzler Werner Faymann erklärt, dass ein damals vorgestelltes Projekt des Österreichischen Institutes für Raumplanung in Zusammenarbeit mit den Linzlinien über eine „Regional-Straßenbahn“ vom Linzer Hauptbahnhof nach Aigen-Schlägl nur durch Mitfinanzierung des Bundes verwirklicht werden könnte. Er schlug einen eigenen Bundesfonds für derartige Aufgaben vor: „für Länder und Gemeinden sind derartige Vorhaben eine Nummer zu groß, es scheitert meist an den finanziellen Mitteln“. An dieser Sachlage hat sich nichts geändert.
5. Aus dem Vorstehenden und seither gepflogenen Verhandlungen ist auch die Finanzierung der Brücke offen und nicht absehbar.
6. Die Praxis zeigt, dass die Benützung der alten Brücke weiter unverzichtbar ist und dazu immer wieder finanzielle Aufwendungen notwendig sind. Will man diese Aufwendungen nicht verlieren, wäre die Restaurierung der Brücke, in Hinblick auf eine spätere sanfte Nutzung, die beste Lösung. Daher wäre die seit vier Jahren vom Experten im Verfahren Rolf Höhmann, Darmstadt, geforderte Kostenschätzung der Reparatur ehe baldigst durchzuführen. Die Möglichkeit, die Brücke Instand zu setzen, ist technisch unbestritten.
7. Die Sinnhaftigkeit für einen Brückenneubau, den Standort der alten Brücke zu nützen, ist städtebaulich nicht nachvollziehbar. Der jetzige Brückenstandort ist Ergebnis der gründerzeitlichen Planung um 1900, die Bebauung der Linken Brückenstraße erfolgte mit zwei gründerzeitlichen Ausnahmen am Brückenkopf, durch Wohnbauten (Blockrandbebauung mit Innenhöfen) in der NS-Zeit. Dieser Straßenzug ist heute schon durch rund 15.000 Autos täglich sehr belastet. Eine weitere Steigerung ist nicht wünschenswert und würde zusammen mit einer eventuellen Straßenbahnlinie die dort ansässige Wohnbevölkerung weiter schwer schädigen.
Die Eisenbahnbrücke war zum Abbruch vorgesehen, sie sollte einem Neubau an dieser Stelle weichen. Adolf Hitler hatte, wie viele Emporkömmlinge, wenig Verständnis für Denkmalpflege. Als Endpunkt der repräsentativen Planung war am linken Donauufer von Hermann Giesler und Albert Speer eine klassische Steinbrücke vorgesehen.
In der Zweiten Republik ist die Ostentwicklung von Linz, vor allem auch durch die Universität, weitergegangen (Harbach, Obersteg, St. Magdalena, Dornach, Auhof), daher wäre ein Brückenneubau unterhalb der VOEST-Brücke, im Bereich der Industriezeile bzw. der Pulvermühlstraße sinnvoller. Dies wäre zu untersuchen.
8. Der Wettbewerb für den Brückenneubau ist unsinnig, solange die hier genannten Punkte nicht in ein Planungskonzept eingeflossen sind. Er dient nur politischen Propagandazwecken zur Erlangung „Schöner Bilder“ in den Medien, die mit der Realität nichts zu tun haben.
2. Juni 2014
Zum Autor:
Wilfried Posch, em. O. Univ.-Prof. Dr. techn. habil., bis 2008 Leiter der Lehrkanzel für Städtebau, Raumplanung und Wohnungswesen an der Universität für Gestaltung in Linz,
Rektor-Stellvertreter 1996 - 2000, Architekt, Gutachter, Autor, langjähriger Mitarbeiter Roland Rainers, korresp. Mitglied der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung in Berlin,
Ständiges Mitglied des Denkmalbeirates beim Bundesdenkmalamt, Mitglied des Österreichischen Nationalkomitees ICOMOS (International Council on monuments and sites),
Welterbe-Wachaubeauftragter (Monitoring) seit 2001, rund 90 Veröffentlichungen über Städtebau, Umweltgestaltung und biografische Studien, darunter 2010 das Buch: „Clemens Holzmeister Architekt zwischen Kunst und Politik“ mit einem Werkverzeichnis von Monika Knofler.