Es liegt in der Natur der Sache, dass Brücken oft als unverzichtbarer Bestandteil nationaler Eigenart, eines besonderen Selbstverständnisses gesehen werden. Bezeichnend etwa für Budapest und ganz Ungarn war der nach Kriegsende umgehende Wiederaufbau sämtlicher Donaubrücken „im wesentlichen in ihrer früheren Form“. Im Jahr 2012 warb die Österreichische Bundesbahn mit einem Faltprospekt für Reisen nach Ungarn, der das Bild der 1896 errichteten „Franz Joseph-Brücke“ zeigte, die 1946 als „Freiheitsbrücke“ unter Verwendung alter Teile wieder aufgebaut wurde. Während die ÖBB die Kultur einer anderen Stadt als sehenswert vorstellte, reichte sie in Österreich den Antrag auf Zerstörung der Linzer Brücke ein. In der ungarischen Hauptstadt ist man heute wie auch früher stolz auf seine vier berühmten Brücken. Ein anderes Beispiel dieser Art war der Antrag des Schottischen Kulturministeriums und Großbritanniens die Brücke über den Forth in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes aufzunehmen. Dies ist am 5. Juli 2015 geschehen. Die 1882–1889 errichtete Stahlbrücke gilt als Meilenstein der Ingenieurbaukunst im frühen Eisenbahnzeitalter.
Dies alles sollte man bedenken, wenn man, wie jetzt wieder so heftig, über einen Brückenneubau anstelle der alten Eisenbahn- und Straßenbrücke spricht. Die Sinnhaftigkeit, für einen Brückenneubau den Standort der alten Brücke zu nützen, ist städtebaulich nicht nachvollziehbar. Der jetzige Brückenstandort ist Ergebnis der gründerzeitlichen Planung von 1896, die Bebauung der Linken Brückenstraße erfolgte mit zwei gründerzeitlichen Ausnahmen am Brückenkopf, durch Wohnbauten (Blockrandbebauung mit Innenhöfen) in der NS-Zeit. Dieser Straßenzug ist heute schon durch rund 15.000 Autos täglich schwer belastet. Eine weitere Steigerung durch den Bau einer „Schnellstraßenbrücke“ ist nicht wünschenswert und würde zusammen mit einer eventuellen Straßenbahnlinie die dort ansässige Wohnbevölkerung weiter schwer schädigen. Die Eisenbahnbrücke war 1942/43 zum Abbruch vorgesehen, sie sollte einem Neubau an dieser Stelle weichen. Adolf Hitler hatte wenig Verständnis für Denkmalpflege. Als Endpunkt der repräsentativen Planung war eine klassische Steinbrücke vorgesehen.
Ein Neubau am alten Standort entspricht nicht der städtebaulichen Ostentwicklung von Linz. Nach 1945 entwickelte sich die Stadt vor allem auch durch die Universitätsgründung in Auhof, in den Stadtteilen Harbach, Obersteg, St. Magdalena, Dornach und den benachbarten Gebieten am linken Donauufer sehr stark. Aber auch am rechten Donauufer kam es zu großen Veränderungen, mit der Bruckner-Halle, dem Lentos-Museum, der kulturverträglichen Umnutzung der ehemaligen Tabakfabrik und dem Posthof wurde aus dem früheren Handelskai eine Kulturmeile. Am Hafen entstanden Wohnbauten, die Linz AG plant dort in den nächsten Jahren den Bau einer „Hafencity“ für rund 270 Mio. Euro. Eine Brücke im Bereich der verlängerten Industriezeile über die Donau zur Pulvermühlstraße im Stadtteil Obersteg im Gebiet der Stadtentwicklung des 21. Jahrhunderts, in der „Hafencity“, würde es ermöglichen, die alte Brücke einer sanften Nutzung zuzuführen und sie so in ihrer konstruktiven Schönheit zu erhalten. In diesem Sinne hat sich der Beirat des Bundesdenkmalamtes am 31. Juli 2013 mit absoluter Mehrheit für die Erhaltung und einen Neubau an anderer Stelle ausgesprochen.
Immer wieder muss darauf hingewiesen werden, dass sich die Stadt Linz im Gemeinderatsbeschluss vom 2. März 2000 zu einer Kulturverträglichkeitsprüfung bei allen wesentlichen Vorhaben der Stadtplanung, der Stadtentwicklung und Stadtgestaltung verpflichtet hat. Dies geschah unter Berufung auf den Maastrichter Vertrag, den kulturellen Aspekten bei der Erfüllung aller kommunalen Aufgaben Rechnung zu tragen. Eine derartige Prüfung hat bisher nicht stattgefunden
Am 27. September 2015 werden nun alle Bürgerinnen und Bürger von Linz Gelegenheit haben, diese Versäumnisse und die durch die Politik mangelhafte Stadtplanung durch ihre Stimme für die Erhaltung der Brücke zu korrigieren!