Gesellschaft für Landeskunde und Denkmalpflege

Oberösterreich

ARCHIV: Die Zukunft der Linzer Eisenbahn- und Straßenbrücke

Wilfried Posch

 

Brücken sind Bauwerke besonderer Art. Studiert man die umfangreiche Literatur, die es über Brücken gibt, so ist auffallend, dass sich die Verfasser am Beginn meist in sehr ähnlicher Form diesem Thema nähern und oft zu einer tiefsinnigen Prosa finden. Die aus einer Bauingenieurs- und Ärztefamilie stammende Charlotte Jurecka schrieb 1979:

„Brücken übten von je her eine Faszination auf die Menschen aus, besonders wenn sie so wohlgelungen waren oder sind, dass sie sich in vollendeter Harmonie in die Landschaft oder das Stadtbild fügen und ein echtes Bindeglied darstellen. Nicht umsonst haben sich Maler aller Zeiten Brücken als Motiv gewählt, haben sich Dichter mit diesem Thema befasst. Wie sehr Brücken, im echten wie im übertragenen Sinn des Wortes, in der Geschichte aller Völker eine Rolle spielten, soll hier aufgezeigt werden. Leider ist, wenn wir die Geschichte betrachten, das Sprichwort von den Brücken, die hinter jemandem abgebrochen werden – wobei sich die Worte sowohl auf Bauwerke wie auf menschliche Bindungen beziehen können –, nur allzu oft in die Tat umgesetzt worden.“

Kulturstädte sind sich dieser Besonderheit bewusst und pflegen sie. Vielfach wird der Name einer Stadt mit einer Brücke verbunden: Rom mit der Engelsbrücke, Venedig mit der Rialtobrücke, Florenz mit dem Ponte Vecchio, Mostar mit der Neretvabrücke, Regensburg mit der Steinernen Brücke, Prag mit der Karlsbrücke, Edinburgh mit der Eisenbahnbrücke über den Firth of Forth, San Francisco mit der Golden Gate Bridge.

Es liegt in der Natur der Sache, dass Brücken oft als unverzichtbarer Bestandteil nationaler Eigenart, eines besonderen Selbstverständnisses gesehen werden. Bezeichnend etwa für Budapest und ganz Ungarn war der nach Kriegsende umgehende Wiederaufbau sämtlicher Donaubrücken „im wesentlichen in ihrer früheren Form“. Im Jahr 2012 warb die Österreichische Bundesbahn mit einem Faltprospekt für Reisen nach Ungarn, der das Bild der 1896 errichteten „Franz Joseph-Brücke“ zeigte, die 1946 als „Freiheitsbrücke“ unter Verwendung alter Teile wieder aufgebaut wurde. Während die ÖBB die Kultur einer anderen Stadt als sehenswert vorstellte, reichte sie in Österreich den Antrag auf Zerstörung der Linzer Brücke ein. In der ungarischen Hauptstadt ist man heute wie auch früher stolz auf seine vier berühmten Brücken. Ein anderes Beispiel dieser Art war der Antrag des Schottischen Kulturministeriums und Großbritanniens die Brücke über den Forth in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes aufzunehmen. Dies ist am 5. Juli 2015 geschehen. Die 1882–1889 errichtete Stahlbrücke gilt als Meilenstein der Ingenieurbaukunst im frühen Eisenbahnzeitalter.

Dies alles sollte man bedenken, wenn man, wie jetzt wieder so heftig, über einen Brückenneubau anstelle der alten Eisenbahn- und Straßenbrücke spricht. Die Sinnhaftigkeit, für einen Brückenneubau den Standort der alten Brücke zu nützen, ist städtebaulich nicht nachvollziehbar. Der jetzige Brückenstandort ist Ergebnis der gründerzeitlichen Planung von 1896, die Bebauung der Linken Brückenstraße erfolgte mit zwei gründerzeitlichen Ausnahmen am Brückenkopf, durch Wohnbauten (Blockrandbebauung mit Innenhöfen) in der NS-Zeit. Dieser Straßenzug ist heute schon durch rund 15.000 Autos täglich schwer belastet. Eine weitere Steigerung durch den Bau einer „Schnellstraßenbrücke“ ist nicht wünschenswert und würde zusammen mit einer eventuellen Straßenbahnlinie die dort ansässige Wohnbevölkerung weiter schwer schädigen. Die Eisenbahnbrücke war 1942/43 zum Abbruch vorgesehen, sie sollte einem Neubau an dieser Stelle weichen. Adolf Hitler hatte wenig Verständnis für Denkmalpflege. Als Endpunkt der repräsentativen Planung war eine klassische Steinbrücke vorgesehen.

Ein Neubau am alten Standort entspricht nicht der städtebaulichen Ostentwicklung von Linz. Nach 1945 entwickelte sich die Stadt vor allem auch durch die Universitätsgründung in Auhof, in den Stadtteilen Harbach, Obersteg, St. Magdalena, Dornach und den benachbarten Gebieten am linken Donauufer sehr stark. Aber auch am rechten Donauufer kam es zu großen Veränderungen, mit der Bruckner-Halle, dem Lentos-Museum, der kulturverträglichen Umnutzung der ehemaligen Tabakfabrik und dem Posthof wurde aus dem früheren Handelskai eine Kulturmeile. Am Hafen entstanden Wohnbauten, die Linz AG plant dort in den nächsten Jahren den Bau einer „Hafencity“ für rund 270 Mio. Euro. Eine Brücke im Bereich der verlängerten Industriezeile über die Donau zur Pulvermühlstraße im Stadtteil Obersteg im Gebiet der Stadtentwicklung des 21. Jahrhunderts, in der „Hafencity“, würde es ermöglichen, die alte Brücke einer sanften Nutzung zuzuführen und sie so in ihrer konstruktiven Schönheit zu erhalten. In diesem Sinne hat sich der Beirat des Bundesdenkmalamtes am 31. Juli 2013 mit absoluter Mehrheit für die Erhaltung und einen Neubau an anderer Stelle ausgesprochen.

Immer wieder muss darauf hingewiesen werden, dass sich die Stadt Linz im Gemeinderatsbeschluss vom 2. März 2000 zu einer Kulturverträglichkeitsprüfung bei allen wesentlichen Vorhaben der Stadtplanung, der Stadtentwicklung und Stadtgestaltung verpflichtet hat. Dies geschah unter Berufung auf den Maastrichter Vertrag, den kulturellen Aspekten bei der Erfüllung aller kommunalen Aufgaben Rechnung zu tragen. Eine derartige Prüfung hat bisher nicht stattgefunden

Am 27. September 2015 werden nun alle Bürgerinnen und Bürger von Linz Gelegenheit haben, diese Versäumnisse und die durch die Politik mangelhafte Stadtplanung durch ihre Stimme für die Erhaltung der Brücke zu korrigieren!

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